Am 5.8.2016 ist in der Berliner Zeitung der Kommentar „Ach ja, die Meinungsfreiheit“ von Christian Bommarius erschienen.
In Deutschland ist die Meinungsfreiheit in Gefahr. Seit Hassbotschaften, Schmähungen, Diffamierungen, Rufmorde und Morddrohungen das Internet und soziale Netzwerke wie Facebook überschwemmen, seit rassistische Pöbeleien gegen Flüchtlinge und Flüchtlingshelfer, gegen Politiker, Lehrer, Pfarrer, Journalisten etc., die Flüchtlinge und Flüchtlingshelfer vor den Pöbeleien in Schutz nehmen, inzwischen fast zum guten Ton gehören, seit also immer mehr Rassisten, AfD- und Pegida-Anhänger, Rechtsradikale und Rechtsextremisten das Netz in eine Fäkaliengrube verwandeln, ist die Meinungsfreiheit in Gefahr wie nie zuvor – bedroht allerdings nur von allen, die dem Hass öffentlich entgegentreten.
Das ist eine sehr einseitige Darstellung. So dürfte – denke ich – die Problematik Julia Schramm weitestgehend bekannt sein. Aber nicht nur bei ihr scheint es Doppelstandards zu geben, was Hass bzw. Hetze ist. Ich habe das schon einmal besprochen in dem Beitrag: „Ist das noch Hetze oder schon Meinungsfreiheit?„. Auch in meinem gestrigen Beitrag „Emma Watsons UN Rede“ geht es um Hass gegen Männer. Rassismus gibt es nicht nur von Rechts, sondern auch von Links.
Der Duden sagt zum Rassismus:
(meist ideologischen Charakter tragende, zur Rechtfertigung von Rassendiskriminierung, Kolonialismus o. Ä. entwickelte) Lehre, Theorie, nach der Menschen bzw. Bevölkerungsgruppen mit bestimmten biologischen Merkmalen hinsichtlich ihrer kulturellen Leistungsfähigkeit anderen von Natur aus über- bzw. unterlegen sein sollen
Ich denke hier spontan an den intersektionalen Feminismus, in dem Weiße als priviligiert angenommen werden und somit nicht-weiße (vor allem Schwarze) als unterpriviligiert. Rassismus per Definition – und das von Links.
Wie ich auch schon in „Genderwahn in der Frankfurter Rundschau“ schrieb, kommt Kritik an vielen Dingen aber nicht nur von Rechts. Auch bei diesem Thema kommt viel Kritik auch von Links. Genauer gesagt, von Linksliberalen. Und man kann sich versichert sein, dass Leute wie ich sich durch sinngemäße Aussagen „nur Rechte Pöbler kritisieren das“ ziemlich diffamiert fühlen. Dass unsere Kritik direkt in die rechte Ecke gestellt wird schadet auch unserem Ruf (Rufmord).
Denn ob sie es glauben oder nicht: Kritik kann durchaus berechtigt sein. Es steht ja nicht nur zur Debatte, DASS gegen Hass und Pöbeleien vorgegangen wird, sondern auch das Wie, das Wer, das Warum, die wissenschaftliche Grundlage und wer das Ganze finanziert. Es steht auch zur Debatte, was denn überhaupt Hatespeech ist. Das sind alles relevante Dinge die besprochen – und ja – auch kritisiert werden dürfen.
Und wenn sehr viele Liberale – auch Linksliberale – befürchten, dass die Meinungsfreiheit in Gefahr gerät, dann sollte man sich mal etwas ernsthafter mit den Kritiken auseinander setzen und nicht einfach die Linkspopulistenmaske aufsetzen und alle Kritiker als rechte Pöbler denunzieren.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bedroht die Meinungsfreiheit, weil er den Druck auf Facebook erhöht, Hasskommentare schneller und systematischer als bisher zu löschen.
Nun, was sind denn Hasskommentare? Sehen sie, das ist eines der wichtigen Probleme. In der Broschüre „Hetze gegen Flüchtlinge in Sozialen Medien“ wird auf PDF S.7 ausgeführt, was diese Hetze ist. Große Teile davon fallen nicht in den Bereich der Volksverhetzung und/oder anderer strafrechtlich relevanter Bereiche. Herr Maas hat hier also gar nichts zu melden als Bundesminister und schon gar nicht Druck auf Facebook etc. auszuüben. Das steht ihm schlicht und ergreifend nicht zu.
Mich würde zum Beispiel massiv interessieren, wie
– Gegenüberstellung »Wir« und »Die«[…]– Abwertende Bezeichnungen: z.B. »Wirtschaftsflüchtling« suggeriert, dass das Grundrecht auf Asyl hier von Menschen ausgenutzt werde, die nur aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen, nicht, weil sie Schutz vor Verfolgung suchen.[…]
-(Nationalistische) Relativierungen: Was ist mit »unseren« Kindern/Obdachlosen etc.?[…]
-Die da oben/die Lügenpresse – erzählen uns eh nicht die Wahrheit[…]
– Bin ich denn gleich ein Nazi, nur weil ich…/wo ist meine Meinungsfreiheit, wenn ihr meine Kommentare löscht?
Sie wird von der staatlich geförderten und gemeinnützigen Amadeu-Antonio-Stiftung bedroht, die soeben eine Broschüre mit Hinweisen veröffentlicht hat, wie mit der „Hetze gegen Flüchtlinge in sozialen Medien“ umzugehen sei.
Oft wird rassistische Hetze auch als Satire oder Humor getarnt oder im Nachhinein als Ausrede benutzt, es sei ja nur witzig gemeint gewesen.
Definitionen von Hate Speech
Es gibt keine einheitliche Definition von Hate Speech, weder in Deutschland noch international. Im Gesetzbuch wird Hate Speech (noch) nicht spezifisch erwähnt – verurteilt werden Beleidigungen oder Volksverhetzung. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass online haten erlaubt ist…, falls jemand auf die Idee käme.
Kein Witz! Die gehen gegen etwas vor, von dem es keine klare Definition gibt. Das öffnet Willkür schlicht und ergreifend Tür und Tor.
Bedroht wird sie auch von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der auf Twitter für die Empfehlungen der Stiftung geworben hat. Bedroht wird sie von jedem, der Hass und Rufmord nicht für rhetorische Arabesken des demokratischen Diskurses hält, sondern für Hass und Rufmord.
Rechte und Verschwörungstheoretiker
Das ist irre? Zumindest ist es das gemeinsame Credo aller, die kein Pardon mehr kennen, wenn jemand einen Zusammenhang von Flüchtlingsschutz und Menschenwürde behauptet, aller, die die Zurückweisung von Hass und Rufmord zur „Zensur“ erklären.
In diesem Lager – präziser wäre: Kampfgemeinschaft – stehen die rechtsradikale Zeitung Junge Freiheit und der Publizist Roland Tichy („Es ist ein peinliches (sic!) Netz der Zensur, das hier über Deutschland gelegt wird und im Zusammenspiel mit den Parteien und vielen Medien glänzend funktioniert.“), die islamophobe „Achse des Guten“ um Henryk M. Broder, Anhänger der rechtsextremen „identitären Bewegung“, der auf die Verbreitung von Verschwörungstheorien spezialisierte Kopp-Verlag mit seinem fast schon ulkigen Chefverschwörungstheorienverbreiter Udo Ulfkotte („Zensur-Republik Deutschland: So sollen Bürger eingeschüchtert werden“), der rassistische Blog „politically incorrect“ und was sich derzeit sonst noch auf dem Markt intellektueller Unredlichkeit und trostloser Unanständigkeit tummelt.
Sie alle werfen Maas, der Amadeu-Antonio-Stiftung und anderen, denen der Schutz der Menschenwürde etwas bedeutet, vor, die Republik in eine „Stasi 2.0“ zu verwandeln und mit dem „peinlichen Netz der Zensur“ zu knebeln.
1. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit schützt nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen. Vielmehr darf Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen. Einen Sonderfall bilden herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. In diesen Fällen ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktritt. Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden.
Die zwei Arten der Zensur
Es gibt zwei Arten der Zensur – die Vor- und die Nachzensur. Der Satz des Grundgesetzes, mit dem die Allianz der Hass-Verteidiger fortwährend den Vorwurf unzulässiger Zensur begründet, steht in Art.5 Abs.1: „Eine Zensur findet nicht statt.“ Verboten ist damit – was eigentlich jeder Bürger, zumindest aber jeder sogenannte Publizist wissen sollte – allein die Vorzensur.
Die hat weder Maas noch die Amadeu-Antonio-Stiftung noch sonst jemand gefordert. Die Nachzensur hingegen ist nicht nur in vielen Fällen zulässig, sondern in jeder Rechtsordnung geboten und unter anderem im Strafrecht verwirklicht: Ohne die Strafbarkeit der Beleidigung, der üblen Nachrede, der Verleumdung oder der Volksverhetzung würde jedes Gemeinwesen unweigerlich in dem Pfuhl der Niedertracht versinken, dessen Schutz die „Zensur“-Schreier wutbebend verlangen.
Es ist bemerkenswert, dass Publizisten und Journalisten, die ihren Lesern fortwährend großmäulig die Welt erklären und in Untergangszenarien beschreiben – der Islam, Gender, Merkel, Schwule etc. –, nicht einmal das kleine 1 x 1 der Staatsbürgerkunde beherrschen.
„Die Meinungsfreiheit wird in diesem Land durch Artikel 5 des Grundgesetzes besonders geschützt. Das heißt auch, dass man Meinungen, die man nicht teilt und rundweg ablehnt, aus rechtlicher Perspektive hinnehmen muss. Eine Anzeige macht daher nur Sinn, wenn es sich um einen strafrechtlich relevanten Beitrag handelt.“ So steht es in den Empfehlungen der Amadeu-Antonio-Stiftung, für die Maas und de Maizière aus gutem Grund öffentlich werben.
Es geht nicht darum, Meinungsäußerungen zu unterdrücken,
Sie [Facebook, Twitter, Google] sollten Beiträge, die Nutzer wegen des Verdachts auf Volksverhetzung melden, binnen 24 Stunden auf Grundlage des deutschen Rechts prüfen.
aber Ziel muss es sein, der Welle von Hass, Hetze, Niedertracht und Einschüchterung, in der die freie Meinungsäußerung zu versinken droht, etwas entgegenzusetzen. Es ist höchste Zeit.
(1) Update 16.August 2016: Laut diesem Text soll den betreffenden Firmen juristische Fachkräfte zur Verfügung stehen, die mit dieser Aufgabe betraut werden. Damit wären diese leute zu mindest nicht fachfremd. Auch ist die Aussage „zur judikativen Gewalt zwingen“ stark überspitzt, da sie ja, bis auf die Löschung, keine Strafen aussprechen.
Den in der Task Force vertretenen Unternehmen stehen juristische Fachkräfte zur Verfügung, die erforderlichenfalls eine juristische Prüfung vornehmen können.
Folgender Kommentar zu Herrn Bommarius Elaborat durfte in der „Berliner Zeitung“ die Vorzensur nicht passieren:
„Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann das Recht, anderen Menschen etwas zu sagen, was sie nicht hören wollen.“ (Goerge Orwell)
„Ihre Meinungs ist scheußlich, aber ich bin bereit, unter Einsatz meines Lebens dafür zu kämpfen, dass Sie sie frei und offen sagen dürfen“ (Voltaire)
Aber Orwell und Voltaire stammen ja auch aus Kulturkreisen, die auf eine lange Tradition von Gedankenfreiheit zurückblicken können, während in Deutschland der dünne Firnis der freiheitlichen Verfassung schon wieder im Begriff ist, weggekratzt zu werden, diesmal nicht von rechten Reaktionären, sondern von einer rot-grünen Gutmenschenfraktion, die sich im Besitz der alleinseligmachenden Wahrheit wähnt und folgerichtig jeden Andersdenkenden als Ketzer betrachtet und entsprechend behandelt.
Allerdings, werter Herr Bommarius: noch gilt das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung (dem Sie, nebenbei bemerkt, Ihre berufliche Existenz verdanken), noch ist die einzige Grenze, die diesem Grundrecht gezogen ist, das Strafrecht. Für dessen Schutz sind allerdings ausschließlich staatliche Strafverfolgungsbehörden zuständig und keine Gesinnungskontroll-NGO. Und „Hetze“ ist ein Begriff aus dem Strafrecht der DDR, dem jetzt, wie es aussieht, mit Hilfe einer Art privater Gesinnungspolizei unter Führung einer ehemaligen Stasi-Schnüfflerin wieder zu neuer Wirksamkeit verholfen werden soll.
Schauen Sie sich doch mal an, was die von Frau Kahane (ehedem IM Victoria) gegründete A-A-Stiftung so alles als „Hassrede“ diffamiert: etwa die Verwendung des Begriffs „Wirtschaftsflüchtling“. Oder die Behauptung, dass es zwischen Einheimischen und Flüchtlingen Unterschiede in der kulturellen Prägung gibt („Wir“ und „die“ = böse Hasshetze). Oder die Frage, wie viel denn nach all der Flüchtlingshilfe noch für hiesige Hilfsbedürftige – Obdachlose, Arme – bleibe. Und wer sich bei alledem auch noch erdreistet, sich auf das Recht auf Meinungsfreiheit zu berufen, der ist erst recht des rechtsradikalen Teufels.
Wenn Leute wie Sie und Frau Kahane einmal echte Macht bekommen sollten, dann wird es Zeit, sich auf die Schießausbildung zurückzubesinnen, die viele Männer im Lande einst unfreiwillig absolvieren mussten, und die womöglich so doch noch einen späten Sinn bekommt. Denn das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist eines, das es wert ist, im äußersten Notfall, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist, in Übereinstimmung mit Art. 20 Abs. 4 GG mit Waffengewalt gegen seine Feinde verteidigt zu werden – auch ganz im Sinne von Voltaire, der, anders als gewisse Journalisten, den Wert der Meinungsfreiheit richtig einschätzen konnte.
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Hervorzuheben ist meiner Meinung nach dieser Absatz hier:
„Sie alle werfen Maas, der Amadeu-Antonio-Stiftung und anderen, *denen der Schutz der Menschenwürde etwas bedeutet*, vor, die Republik in eine „Stasi 2.0“ zu verwandeln und mit dem „peinlichen Netz der Zensur“ zu knebeln.“
Ich mag mich irren, aber fällt es nicht ebenfalls unter meine Menschenwürde, meine mir vom Grundrecht zugesprochene freie Meinung kundgeben zu können ohne das versucht wird, mich mit dem selben Grundrecht mundtot zu machen, ganz zu schweigen von etwaigen Anfeindungen, Beleidigungen, Pauschalisierungen etc. ?
Dieser „Würde“ Paragraph läuft aktuell förmlich amok, da mit ihm schier alles gerechtfertigt werden kann. Wenn ich behaupten kann, dass Aussagen von Person X „meine Würde verletzten“ weil sie nicht mit meinem Weltbild konform gehen, und dieser also via Proxy gegen das Grundrecht verstößt, dann läuft etwas gehörig schief.
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Deshalb bin ich sehr froh, dass das Bundesverfassungsgericht vor nichtmal zwei Wochen so entscheiden hat, wie es entschieden hat.
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Hat dies auf Skull Judenfreund rebloggt.
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