Na, Süßer? Auch schon die Studie gelesen?

Ich bin über Genderama ( Archiv ) auf einen Artikel der Zeit gestoßen ( Archiv ).

Dabei ist mir eine Passage aufgefallen, die meine Erinnerung hat aufblitzen lassen:

Ja, von sexueller Belästigung sind mehr Frauen betroffen als Männer. 17 Prozent der Frauen geben an, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erfahren zu haben – das ist das Ergebnis einer Befragung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes vor zwei Jahren. Allerdings haben das auch sieben Prozent der Männer schon erlebt.

Mir war da, als hätte ich das Ding schonmal gelesen und das als irreführend erkannt. Deshalb habe ich in besagter Studie nochmal nachgeschaut.

Und es hat sich herausgestellt, das ich mich korrekt erinnert habe. Richtig ist, dass 17 Prozent der Frauen und 7 Prozent der Männer sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz „nach EIGENEM Begriffsverständnis“ schon einmal erlebt haben. Nimmt man aber die rechtliche Definition, haben Männer zu 56 % das schonmal erlebt und Frauen „nur“ zu 49 %. Das sind 7 Prozentpunkte Unterschied zum Nachteil von Männern. Tatsächlich erfahren Männer sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz also mehr als Frauen.

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(Original der Publikation, Archiv , Seite 6)

Jetzt ist die Frage was wir aus den Zahlen machen.

  • Wissen Männer und Frauen zu wenig, was sexuelle Belästigung ist?
    (Ja, siehe S.10 der Publikation)
  • Daraus folgend: Wissen Männer das noch weniger als Frauen?
    (keine Ahnung)
  • Oder ist vielleicht die rechtliche Grundlage zu breitgefächert und deckt Dinge ab, die nicht als sexuelle Belästigung eingestuft werden sollten?
    (Ja, siehe unten)
  • Sind vielleicht die Vorfälle bei Frauen einfach krasser?
    (Ja, siehe unten)

Zurück zum Zeit-Artikel

Beide Geschlechter beobachten und erleben am häufigsten Belästigungen durch Männer.

Das ist korrekt. Frauen und Männer sehen und erleben Männer deutlich häufiger als Täter. Allerdings ist mir beim Nachprüfen etwas aufgefallen. Wenn die Situation nur beobachtet wurde, dann sehen Leute ihre Geschlechtsgenossen kritischer. Frauen stufen das Verhalten einer anderen Frau eher als sexuele Belästigung ein als Männer (11 zu 3) und Männer stufen das Verhalten eines anderen Mannes eher als sexuelle Belästigung ein, als Frauen (75 zu 67).

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(Seite 7)

Ein Drittel der betroffenen Männer gab aber an, schon einmal von Frauen belästigt worden zu sein.

Eher zwei Fünftel, doch weiter im Text. Es folgt eine Auflistung von Prozenten aus dieser Publikation von Seite 5, die korrekt sind bis zu folgendem Punkt:

Witze mit sexuellem Bezug oder zweideutige Kommentare hören Männer sogar häufiger als Frauen: 47 Prozent im Vergleich zu 39 Prozent hatten das erlebt.

„Sogar“. Ich betone das mal, denn wie wir gleich sehen werden, ist dies hier etwas irreführend. Man könnte meinen, dass dies der einzige Punkt ist, wo Männer häufiger betroffen sind, das dies die Ausnahme sei. Dem ist nicht so, denn nicht nur bei den zweideutigen Kommentaren bzw. Witzen sind Männer häufiger betroffen.

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Auch bei

  • Bemerkungen mit sexuellem Inhalt
  • Unerwünschten E-Mails, SMS, Fotos, Videosmit sexuellem Bezug
  • Nötigung zum Ansehen pronographischen Materials

Das schmälert natürlich nicht, dass ich ungewünschte Berührungen/Annäherungen, Küsse und Umarmungen schlimmer finde (hier sind mehr Frauen als Männer betroffen). Ich fand lediglich das Wort „sogar“ irreführend.

Ich muss übrigens anmerken, dass ich „zweideutige Kommentare“ bzw. „Witze mit sexuellem Bezug“ als ziemlich harmlos erachte und ich keinen Grund sehe, warum das unter sexuelle Belästigung fallen sollte.

Es folgen einige anekdotische Beispiele und ein paar Expertenmeinungen und dann eine Studie der Rice University:

In einem Experiment legten US-Psychologen der Rice University Studenten die Akten eines fiktiven Falls vor. Ein Betroffener berichtete darin, von dem Kollegen unangenehm berührt und nach einem Rendezvous gefragt worden zu sein. Das private Treffen sei wichtig für die Karriere, habe der zudringliche Kollege gesagt. In einer Version der Geschichte war der Täter ein Mann und das Opfer eine Frau, in einer anderen war es umgekehrt. Die Probanden sollten angeben, für wie glaubwürdig sie die Darstellung hielten. Das Ergebnis: Einer Frau nahmen sie die Geschichte deutlich eher ab als einem Mann.

(Studienabstrakt im Original, Archiv )

Auch hier findet man eine merkwürdige Ungenauigkeit. Es ist nicht nur so, dass man Frauen die Geschichte eher abnahm als Männern, sondern man wollte Männer auch härter bestrafen und hat sie weniger gemocht.

Results for the complainants of sexual harassment confirmed that men were believed less, liked less, and punished more than women.


Zu dem zweiten Punkt mit der Attraktivität der sich-beschwerenden Person (ob sie auch eine Rolle spielt) und der Studie aus Australien muss ich meine Überschrift mit: „Nein habe ich nicht“ beantworten. Ich muss mich wieder ans studieren machen ;-). Vielleicht folgt später noch eine Ergänzung.

 

 

19 Gedanken zu “Na, Süßer? Auch schon die Studie gelesen?

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  5. Manche Situationen sind ja doch ein wenig komplexer, als man es in ergebnisorientierten Studien darstellen und noch weniger aus schwarz-weiß-Interpretationen ablesen kann.

    Ein anekdotisches Beispiel:
    Ich kenne eine Soziologiestudentin und junge Mutter ( klassisch verheiratet ), die in Teilzeit praktische Sozialarbeit leistet. Sie schreibt gerade ihre Bachelorarbeit.
    Unseren Kontakt bezeichne ich als freundschaftlich-themenorientiert, bei relativ hoher Themenbandbreite. Vulgo: Wir unterhalten uns gelegentlich recht angeregt und verstehen uns dabei ziemlich gut, was mir für beide Seiten nützlich erscheint.

    Letzte Woche schneite sie herein, als ich gerade geduscht hatte und mit nix als einer Jogginghose und Badelatschen bekleidet mal eben meine Bude durchwischte ( ich wußte zwar, daß sie kommt, hatte entsprechend die Terrassentür offen, war aber etwas spät dran, hatte die Uhrzeit etwas vernachlässigt ).

    Sie witzelte spontan darüber herum – und zwar eindeutig zweideutig UND in durchaus zugewandtem Tenor, daß ich mit freiem Oberkörper putze.
    Woraufhin ich sie fragte, ob ich die Hose besser auch noch ausziehen sollte, schwenkte dann aber herum auf ( sinngemäß ): „Och nö, nö lassma, bin ich von der Alterskohorte nich mehr zuständig für, da gibt’s Hübschere.“
    Was sie freundlich mit ( ebenfalls sinngemäß ): „So so, Kohorte, hmm?“, konterte.

    Der Rest des Treffens war praktisch Routine, gemütliche Tasse Kaffee/Tee, sowie ein, wie üblich viel zu kurzes, aber ziemlich lockeres UND gehaltvolles Gespräch recht großer Bandbreite, von Genderquatsch, über Politik, bis hin zu den damit verbundenen gesellschaftlichen Problematiken.
    Lohnenswert also.

    Frage 1: Wie wäre dieser zwischenmenschliche/gesellschaftliche Kontakt genderpolitisch korrekt zu bewerten?

    Frage 2: Was wären daraus für Folgen abzuleiten resp. ggf. Maßnahmen zu ergreifen? Besonders unter Berücksichtigung der sexualisierten und aus genderfeministischen Perspektive sicherlich sexistischen Komponenten, in Kombination mit den entsprechenden Definitionen in den speziell dafür designten „Studien“, plus neuen Gesetzen/institutionalisierten Vorgehensweisen etc.?

    Frage 3: Lohnt sich das überhaupt?

    Frage 4: Cui bono, zu deutsch: Falls ja, für wen?

    Ich fürchte, egal wie man Frage 1 beantwortet, eine Fortführung dieses Verhältnisses wäre quasi vollständig undenkbar.

    Frage 2 zu beantworten ist mir daher zu gruselig, besonders als pauschalisierte Version.

    Frage 3 würde ich vehement mit „NEIN!“ beantworten.

    Und Frage 4 überhaupt zu stellen, wäre m.E. nur unter der Bedingung eines ( extra dafür zu inszenierenden? ) eskalierenden Konfliktes, oder lukrativen Geschäftsinteresses „sinnvoll“.

    ( Ich schicke ihr diesen Kommentar gleich mal per E-Mail zu, mal sehen, ob ihr etwas anderes/ergänzendes dazu einfällt )

    Was meint Ihr, liebe Mitleser?

    Gefällt 2 Personen

    • Zu Frage 1: Wie wäre dieser zwischenmenschliche/gesellschaftliche Kontakt genderpolitisch korrekt zu bewerten?

      Das ist ja wohl eindeutig.
      Du erwartest eine Dame und als sie kommt stehst du „mit nix als einer Jogginghose und Badelatschen bekleidet“ vor ihr?
      Damit begehst du einen klassischen Weinstein.
      Ein ganz schlimmer #MeToo Moment für die arme Frau.

      Dass du nach eigenen Worten „uralt, blassweiß UND stockenhetero“ bist, macht das natürlich noch schlimmer.
      zu Frage 2: Was wären daraus für Folgen abzuleiten
      Sie sollte sich mit der Presse in verbindung setzen, um das ganze möglcihst öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen.

      Frage 3: Lohnt sich das überhaupt?
      Kommt drauf an, ob es was bei dir abzugreifen gibt, auf deinen Status etc.
      und zu 4: Immer nur für Sie

      Gefällt 1 Person

      • Ja, das entspricht ungefähr auch meiner Einschätzung.
        Und ich gestehe, daß ich insofern heilfroh bin, daß es an der hiesigen Sozifakultät immerhin noch mindestens dieses eine anekdotische Beispiel mit etwas gesundem Menschenverstand gibt ( es soll gerüchtehalber aber noch ein paar mehr geben ), welches ich eben drum auch nach Kräften zu fördern versuche ….

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